It takes two to toxic

22.04.20240

Was Du tun kannst, um toxische Beziehungsdynamiken hinter Dir zu lassen

 

Red Flags, überall Red Flags.
Egal, ob ich Instagram öffne, in WhatsApp schaue oder mich mit Freunden und Freundinnen über ihre Dates unterhalte, ständig ist die Rede von Red Flags. Und netterweise scheinen potentielle Partner immer dann ihre Red Flags auszupacken, wenn es doch gerade eigentlich so schön gewesen wäre, wie unglaublich nervig! 

Wenn jemand bei Capture the Flag besonders gut abgeräumt hat, dann ist derjenige definitiv toxisch. Er antwortet ein paar Tage nicht? Toxisch. Sie redet nur über sich und interessiert sich nicht für Dich? Toxisch. Alle seine Exfreundinnen waren verrückt? Ultratoxisch! 

Nur leider helfen uns diese Bewertungen und Schubladen in der Liebe nur bedingt weiter. Natürlich ist es super, zu erkennen, dass Dir ein bestimmtes Verhalten Deines Dates nicht gut tut. Gerade wenn es um die Liebe geht, können Verletzungen tief gehen und es ist wichtig, dass Du weißt, was Dir schadet und wie Du Dich davor schützen kannst. Falls Du aber einen „toxischen Menschen“ nach dem anderen triffst, macht es Sinn, etwas mehr in die Tiefe zu blicken.

Es gibt keine toxischen Menschen, nur toxische Beziehungen

Im Grunde haben wir alle Red Flags – und wir haben alle Green Flags.
Das gilt für die Menschen, die wir daten und das gilt auch für Dich und mich. Wir sind alle in manchen Situationen kompliziert und in anderen Situationen unglaublich toll. Das ist ganz normal und menschlich. Die Frage ist also nicht, wie Du einen Partner finden kannst, der nur Green Flags hat und keine Red Flags. Solche Menschen gibt es einfach nicht.
Die Frage ist, mit welchen Red Flags Du gut umgehen kannst – und mit welchen nicht. 

Wenn Dein Partner zum Beispiel nach einem Streit den ganzen Tag nicht mehr auf Deine Nachrichten antwortet, kannst Du damit unterschiedlich umgehen.
Du kannst Dir Zeit nehmen, um selbst wieder runterzukommen und Dir etwas gutes zu tun. Du kannst mit etwas Abstand nochmal reflektieren, worum es im Streit ging, und neue Blickwinkel finden. Vielleicht brauchst Du ja selbst erstmal ein bisschen Zeit für Dich selbst und merkst deswegen gar nicht, dass Dein Partner sich ebenfalls zurückgezogen hat.
Falls Du aber grundsätzlich Angst hast, verlassen zu werden, und sowieso eher dazu neigst, Dich besonders oft bei Deinem Partner zu melden, dann ist es für Dich völlig unmöglich, in dieser Situation entspannt zu bleiben. Dann steigt Deine Angst, dass er Schluss macht. Vielleicht wirst Du auch wütend, weil der andere Dich nach dem Streit gefühlt „bestraft“, anstatt das Problem gemeinsam zu lösen. Möglicherweise beginnst Du, ihn deswegen mit Anrufen und Nachrichten zu bombardieren.
Eure Red Flags – also sein Bedürfnis nach Abstand und seine Unfähigkeit, es zu kommunizieren und Deine Verlassensangst und Dein Hang zum Klammern – multiplizieren sich gegenseitig.
Je mehr er sich zurück zieht, desto stärker wird Dein Bedürfnis nach Sicherheit, Bestätigung und Nähe und desto mehr versuchst Du, aktiv wieder Verbundenheit herzustellen. Je mehr Du ihn mit Nähe bedrängst, desto größer wird sein Bedürfnis, sich zurückzuziehen und Dich von sich wegzustoßen.
Nicht Dein Partner ist in diesem Fall toxisch, sondern Eure gemeinsame Beziehungsdynamik. Und auf ihn wirkst Du vielleicht gerade ebenso toxisch wie er auf Dich. 

 

Sogar toxische Verhaltensweisen wie Love Bombing oder Gaslighting brauchen zwei, damit sie funktionieren.

Beim Love Bombing macht Dir jemand, den Du datest, übertrieben viele Komplimente, bringt Dir Geschenke mit, plant die romantischsten Dates und überschüttet Dich quasi mit Liebe. Das kann schnell abhängig machen – ganz besonders, wenn derjenige Dir später diese Liebe wieder entzieht. Tatsächlich passiert Love Bombing in den meisten Fällen unbewusst und entspringt einem erlernten und konditionierten Muster. Es ist also meistens kein manipulativer Masterplan, mit dem Dich jemand in seine Fänge bekommen will.
Und natürlich funktioniert es besonders gut bei Menschen, die oft Liebesentzug erlebt haben, die kein starkes Urvertrauen haben oder die Schwierigkeiten mit ihrem Selbstwert haben. Dann fühlt es sich unglaublich heilend an, wenn die fehlende Liebe und Wertschätzung auf einmal im Überfluss da ist – und umso schrecklicher, wenn sie einem wieder weggenommen wird.
Wer stattdessen einen hohen Selbstwert und viel Selbstliebe hat, ist viel weniger anfällig für Love Bombing und wird nicht so schnell abhängig von der Liebe eines anderen. 

Beim Gaslighting verunsichert Dich Dein Partner mit Aussagen oder Verhaltensweisen und lässt Dich dadurch an Deiner eigenen Wahrnehmung zweifeln. Die Worte werden Dir im Mund umgedreht und Dein Partner präsentiert Dir eine völlig andere, verdrehte Version der Geschehnisse. Dabei werden Dir meistens noch Deine Gefühle abgesprochen.
Wenn Du zum Beispiel eifersüchtig bist, weil Du gesehen hast, wie Deine Freundin auf einer Party eng umschlungen mit ihrem besten Freund getanzt hat, übertreibst Du total und spinnst Dir aus Unsicherheit etwas zusammen. Dann bist Du auf einmal der Böse, weil Du ihr nicht vertrauen kannst und sie mit Deiner krankhaften Eifersucht einsperren willst. Am Ende zweifelst Du an Dir selbst und bist Dir nicht mehr sicher, ob Du Dich nicht doch komplett täuschst und alles falsch wahrgenommen hast.
Auch Gaslighting passiert nicht immer absichtlich.
In vielen Fällen wurde der Gaslighter in seiner Kindheit für kleinste Vergehen hart bestraft und hat dadurch gelernt, sich mit Notlügen und einer Verdrehung der Wahrheit aus Situationen heraus zu lavieren. Dieser unbewusste Selbstschutzmechanismus kann bis ins Erwachsenenalter aktiv sein.
Der Gaslighter verdreht also die Wahrheit – aber Du kannst selbst entscheiden, ob Du diese Verdrehung annimmst oder erkennst, dass dahinter wahrscheinlich nur die Angst steckt, angegriffen zu werden. Du warst ja dabei. Du hast alles selbst erlebt und wahrgenommen. Wer sich gaslighten lässt, vertraut im Grunde dem Partner (oder der Person, die das Gaslighting betreibt) mehr als sich selbst. Wer ein starkes Selbstvertrauen hat, seine Gefühle akzeptiert und seiner Wahrnehmung traut, ist hingegen weniger anfällig für Gaslighting. 

Das macht Verhaltensweisen wie Love Bombing oder Gaslighting nicht besser – aber Du kannst lernen, besser mit ihnen umzugehen und stehst ihnen nicht mehr machtlos gegenüber. 

Das heißt auch nicht, dass Du selbst Schuld bist, falls Dir das in der Vergangenheit schon passiert ist.
Ich selbst habe auch schon Love Bombing und Gaslighting erlebt und weiß, wie schmerzhaft es sein kann und wie schwierig es ist, aus solchen Mustern auszubrechen. Ich habe aber auch die Erfahrung gemacht, wie befreiend es ist, den ungesunden Verhaltensweisen anderer nicht mehr ausgeliefert zu sein.
Du bist nicht Schuld, wenn jemand Gaslighting oder Love Bombing an Dir anwendet – aber Du hast es in der Hand, Dich davon zu befreien und nicht mehr dadurch manipulieren zu lassen.
Wir sind ja zum Glück keine Kinder mehr, die jemanden zum Überleben brauchen und sich deswegen nicht zur Wehr setzen können und dürfen. Wir sind erwachsen und können selbst entscheiden, wie wir mit dem Verhalten anderer umgehen. Selbst, wenn wir dadurch verletzt oder getriggert werden und uns in unseren eigenen Ängsten und im Schmerz verstricken, können wir heilen und daran wachsen. Das kann manchmal unglaublich schwer sein – aber es lohnt sich.

Wenn Du Dir weniger toxische Dynamiken im Dating und in deinen Beziehungen wünschst, dann hilft es also, nicht nur nach den Red Flags der Menschen, die Du datest, Ausschau zu halten, sondern stattdessen zu überlegen, was eigentlich Deine Red Flags und Beziehungsschwächen sind.
Hast Du Probleme mit zu viel Nähe und fühlst Dich dadurch schnell erschlagen? Oder kann es Dir gar nicht genug Nähe sein und Du würdest am Liebsten jede Minute mit einem neuen Partner verbringen? Neigst Du zu Eifersucht? Hast Du das Gefühl, nicht gut genug zu sein? Oder das Gefühl, dass niemand gut genug für Dich ist und Dich jeder nur langweilt? Wurde Dir von Deinen Eltern als Bestrafung Liebe entzogen oder wird in Deiner Familie viel Gaslighting – also die Verdrehung der Realität – betrieben?
Je mehr Du reflektierst und über Dich selbst herausfindest, desto bewusster wirst Du Dir auch der toxischen Dynamiken, die für Dich in Beziehungen auftreten können – und desto mehr kannst Du tun, um sie zu verhindern. 

So kannst Du Dir erschließen, mit welchen Red Flags Du eher schlecht umgehen kannst und auf welche Verhaltensweisen Du selbst vermutlich toxisch reagieren wirst. Du kannst Lösungen dafür finden und Deine eigenen Unsicherheiten nach und nach überwinden. Und Du merkst schneller, wenn sich Deine Red Flags und die Deines Gegenübers gegenseitig multiplizieren – und kannst aus dieser Abwärtsspirale ausbrechen. 
Vielleicht findest Du ja auch heraus, dass es bestimmte Red Flags gibt, mit denen Du wirklich nicht klar kommst und die Dich so tief triggern und neu verletzen, dass es die Heilungsarbeit einfach nicht wert wäre. Dann kannst Du Dich von Menschen mit solchen Red Flags freundlich verabschieden. 

Achte hier aber bitte unbedingt darauf, toxische Verhaltensweisen und missbräuchliche, übergriffige Verhaltensweisen voneinander zu unterscheiden.
Wenn Methoden wie Gaslighting oder Love Bombing nur der Anfang sind, gezielt als Manipulationsmittel eingesetzt werden und Hand in Hand gehen mit extremer Eifersucht, plötzlichen Wutausbrüchen und dem Versuch, Dich von Deinem Umfeld zu isolieren, ist das bereits emotionaler Missbrauch. Wenn ein Nein im sexuellen nicht respektiert wird und es sogar zu physischer Gewalt kommt, bist Du ganz klar in einem Missbrauchsverhältnis und solltest Dir Hilfe suchen. 

Es gibt vielleicht keine toxischen Menschen, aber durchaus missbrauchende, übergriffige Menschen.

Toxische Beziehungsdynamiken können der erste Schritt in ein missbräuchliches Verhältnis sein.
Es ist nicht selten schwierig, zu unterscheiden, ob man gerade in einer gemeinsamen toxischen Dynamik ist oder ob der andere gezielt versucht, einen zu manipulieren. Die Übergänge können dabei so fließend sein, dass man oft viel zu spät merkt, in welcher Situation man sich befindet, und womöglich schon in einem emotionalen oder finanziellen Abhängigkeitsverhältnis ist.

Gerade deswegen finde ich, dass wir normalisieren sollten, auch unsere eigenen Red Flags kennen zu lernen und uns über sie auszutauschen. Je besser wir unsere persönlichen Schwächen und Unsicherheiten im Miteinander kennen, desto leichter fällt es uns, toxische Beziehungsdynamiken zu überwinden oder ihnen ganz aus dem Weg zu gehen. Wir werden weniger manipulierbar, wachsen persönlich und lernen, gesunde und stärkende Beziehungsdynamiken zu kreieren. Und wir erkennen klarer, wer tatsächlich missbräuchliche Verhaltensweisen zeigt und wer vielleicht auch nur ganz normale Red Flags hat – genauso wie wir selbst. Dann sind wir auch in der Beziehung keine Gegner mehr und müssen uns nicht mehr voreinander verteidigen. Wir sind ein Team, das gemeinsam gegen ungesunde Dynamiken kämpft und zusammen wächst. 

In diesem Sinne: Schreib gerne in die Kommentare, welche Red Flags Dir an Dir selbst auffallen. Und wenn Du Dir Unterstützung auf Deinem Weg zu einer gesunden und bereichernden Beziehung wünschst, ist ein Einzelcoaching vielleicht interessant für Dich. Melde Dich einfach bei mir, ich freue mich auf Dich! 

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